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Ich Sternenmama

Mein Mann und ich wünschen uns ein drittes Kind. Als wir dachten, dass der Zeitpunkt gut wäre, machten wir uns „an die Arbeit“.

Unser erstes Sternchen

Wie bei meinen beiden Großen ahnte ich früh, dass ich schwanger war, und die kurz darauf einsetzende Übelkeit und ein hauchzart positiver Schwangerschaftstest bestätigten mein Gefühl.

Doch das Glück hielt nur kurz, drei Tage später ging es mir plötzlich richtig schlecht und kurz drauf setzte die Blutung ein. Mich traf dieser Verlust unerwartet schwer. Es dauerte geraume Zeit, bis ich mir überhaupt zugestehen konnte, zu trauern, es war doch noch so früh gewesen. Irgendwann konnte ich der Trauer Raum geben und die Tränen fließen lassen, doch ich gönnte mir keinen Moment, um innezuhalten und zu verarbeiten. Rückblickend war das ein großer Fehler.

Unser zweites Sternchen

Nachdem wir erleben mussten, wie es sich anfühlt, wenn ein Baby nicht bleiben darf, war die nächste Erfahrung die, der immer wieder unerfüllten Hoffnung. Nach 4 Monaten verließ mich langsam der Mut und bei jedem weiteren Einsetzen der Periode wurde das Loch, in das ich fiel und aus dem ich mich wieder heraus kämpfen musste, etwas tiefer. Ich hatte bis dahin nicht die geringste Vorstellung davon, was Kinderwunschzeit bedeutet und wie sehr sie einen einnehmen kann. Es war keine leichte Zeit und ich kämpfte sehr darum, die Dinge anzunehmen, wie sie waren. Nach 9 langen Monaten hielt ich endlich wieder einen positiven Test in der Hand. Die Freude war riesig und mein Mann und ich konnten es kaum glauben.

Wiederum drei Tage später bekam ich eine Schmierblutung. Ich ging zu meiner Frauenärztin und sie beruhigte mich, das käme häufig vor und ich bräuchte keine Angst zu haben. Am nächsten Tag ging auch dieses Kind zu den Sternen. Wir waren fassungslos. Es war kaum zu glauben, dass uns gerade nochmal das Gleiche passierte. Beim letzten Mal hatte ich mich seltsam gefühlt, anders als bei meinen zwei Kindern, diesmal fühlte sich alles richtig an. Dennoch war es uns auch diesmal nicht gegönnt, dieses Baby wachsen zu sehen und irgendwann in den Armen zu halten und wir mussten uns auch diesmal damit abfinden, es nur im Herzen zu tragen. Diesmal wusste ich, dass ich trauern durfte, mein Mann und ich sprachen viel darüber und meine Familie gab mir großen Halt. Ich nahm mir Zeit, um diesen erneuten Verlust zu verarbeiten und ließ mich ein paar Tage krankschreiben. Natürlich war es schlimm, auch dieses Kind gehen lassen zu müssen, aber es heilten so auch viele alte Wunden und ich hatte einen tiefen, inneren Frieden damit.

Unser drittes Sternchen

Völlig unerwartet hielt ich 4 Wochen später erneut einen positiven Test in der Hand. Ich kann nicht sagen, dass ich mich gefreut hätte, ich hatte viel zu viel Angst. Die ersten Tage kämpfte ich gegen diese Angst an, indem ich jeden Tag einen Test machte und zusah, wie die zweite Linie immer deutlicher wurde. Langsam konnte ich es glauben. Auch mein Mann war zurückhaltend, doch nachdem wir das erste Wochenende hinter uns gebracht hatten und auch ein digitaler Test „schwanger“ anzeigte, begannen wir, es zu glauben. Nach einer Woche hörte ich auf, auf das Einsetzen der Blutung zu warten. Da ich mir sehnlichst eine Hausgeburt wünschte, rief ich meine Hebamme an und machte auch einen ersten Termin beim Arzt. Auch dieses Mal war die Übelkeit weit weniger ausgeprägt, als bei meinen anderen beiden Kindern und so packte mich immer wieder große Angst, dass auch dieses Kind zu den Sternen gehen könnte. Ich beruhigte mich immer wieder und sagte mir, dass nach zwei Verlusten die Angst einfach dazu gehörte. Ich machte mir selbst Mut und versuchte zu ignorieren, dass ich mir mich selbst nicht mit dickem Bauch vorstellen konnte, dass ich tief in meinem Herzen wusste, dass nächsten Februar in diesem Haus kein Kind geboren werden würde.

Einige Tage vor dem Arzttermin stieg die Anspannung enorm an, ich war unruhig und betete immer und immer wieder darum, dass wir einen kleinen Zwerg mit Herzschlag im Ultraschall sehen durften. Zutiefst angespannt saßen wir bei meiner Frauenärztin im Wartezimmer und als wir aufgerufen wurden, zitterten meine Hände. Ich glaube, sie spürte unsere Anspannung, denn sie hielt das Vorgespräch kurz und schlug vor, erst einmal nach dem Baby zu sehen. Mein Mann und ich sahen gespannt auf den Ultraschallbildschirm und ich fragte mich, was sie da betrachtete und wann sie denn endlich auf die Gebärmutter schallen würde. Bis ich plötzlich verstand, dass das große Graue auf dem Bildschirm meine Gebärmutter WAR. Kein schwarzer Fleck, keine Fruchthöhle, kein Baby. Ich konnte es nicht glauben. Meine Ärztin schaute die Eileiter und die Eierstöcke an, doch außer einem Gelbkörper konnte sie nichts finden. Wir waren sprachlos, fassungslos, wollten es nicht glauben.

Es wäre falsch zu sagen, dass es mir den Boden unter den Füßen wegzog, denn wenn ich ehrlich war, hatte ich die ganze Zeit gewusst, dass etwas nicht stimmte. Ich fühlte mich wie betäubt, konnte zunächst nicht mal weinen. Meine Ärztin klärte uns voller Mitgefühl darüber auf, dass wohl entweder eine Eileiterschwangerschaft vorlag, oder es sich um ein Windei handelte. Sie nahm mir Blut ab, um die Höhe des Schwangerschaftshormones zu bestimmen, welches uns Aufschluss darüber geben würde, womit wir es zu tun hatten. Erst jetzt brachen die Dämme und Tränen liefen mir übers Gesicht. All die Sorgen und Ängste der letzten Wochen bestätigten sich.

Wir fuhren nach Hause und versuchten zu verstehen, was da gerade passierte. Die für denselben Tag angekündigten Blutwerte kamen nicht und so warteten wir voller Angst und Ungewissheit. Am nächsten Tag kam der Anruf und mein Ärztin sagte mir, dass die Werte einer intakten 7. Schwangerschaftswoche entsprächen, dass man im Ultraschall etwas hätte sehen müssen und dass es sich sehr wahrscheinlich um eine Eileiterschwangerschaft handelte. Da ich keine Schmerzen hatte, bat ich sie, weiter zuwarten zu dürfen. Ich hoffte, unser kleiner Schatz hätte sich nur versteckt und würde sich doch noch zeigen. Meine Ärztin hätte sich wohler gefühlt, wenn ich zur Abklärung noch am selben Tag in die Uniklinik gefahren wäre, doch mangels körperlicher Beschwerden stimmte sie zu, dass ich am nächsten Morgen erneut zu ihr in die Praxis käme.

Mit der Gewissheit, dass wir heute ein Baby samt Herzschlag auf dem Ultraschall sehen werden, fahre ich früh am nächsten Morgen in die Praxis. Als meine Ärztin den Schall macht, findet sie zunächst eine nicht richtig angelegte Fruchthöhle in der Gebärmutter. Kurz darauf sehe ich selbst die Fruchthöhle mit einem kleinen grauen Fleck und einer eindeutig pulsierenden Stelle. Trotzdem frage ich nach, was das sei. Die Eileiterschwangerschaft antwortet sie mir und zeigt es mir erneut. Obwohl ich es sehen kann, frage ich, ob das Herz schlägt und sie bestätigt mir auch das. Ich darf nicht mal mehr nach Hause, meine Sachen holen. Sie bittet mich, direkt in die Klinik zu fahren. Ich rufe meinen Mann an, damit er mich abholen kommt.

Etwas mehr als eine Stunde später liege ich im Krankenhaus auf einer Untersuchungsliege und sehe erneut das Herz meines Kindes in meinem Bauch schlagen. Mein Mann sitzt neben mir und als er das schlagende Herz sieht, beginnt er erst zu lächeln und dann zu weinen. Auch ich kann die Tränen nicht zurückhalten. Wir dürfen uns unser Kind ganz in Ruhe anschauen, dann beendet sie die Untersuchung und beginnt uns mit ruhiger Stimme darüber aufzuklären, was nun passieren wird. Dass ich die Ärztin kenne und sie ein ganz besonders lieber Mensch ist, dem ich wirklich vertraue, macht die Situation zwar nicht besser, ist aber dennoch ein Segen.

Wir werden darüber aufgeklärt, dass ich nun sehr schnell operiert werden muss, dass das Baby für eine Eileiterschwangerschaft schon sehr groß ist. Sie sagt mir, dass sie versuchen werden, den Eileiter zu erhalten, es aber sein kann, dass er entfernt werden muss. Wir werden über die Risiken aufgeklärt und darüber, wie lange ich wahrscheinlich bleiben muss. Das alles geschieht wie in Trance, ich liege da und im Grunde ist mir all das, was mir gerade erklärt wird, völlig egal. Das Baby in meinem Bauch lebt, es sieht auf dem Ultraschall völlig normal aus, so wie es sein soll. Und nun muss ich einem Schwangerschaftsabbruch zustimmen, weil es an der falschen Stelle sitzt. Ich weiß, dass es nicht möglich ist, aber dennoch muss ich fragen, warum man mein Baby nicht einfach an die richtige Stelle setzen kann. Geduldig erklärt uns die Ärztin, dass man eine Einnistung nicht nachahmen kann und dass es leider einfach nicht möglich ist. Auf die Frage, was mit unserem Kind passiert, wird uns gesagt, dass alle viel zu kleinen Kinder im Sternengarten beigesetzt werden. Einer Ausschabung der Gebärmutter stimme ich nicht zu. Nachdem sich die Ärztin noch dafür eingesetzt hat, dass ich nicht in einem 4 oder 5 Bett Zimmer untergebracht werde, werden wir auf die Station gebracht. Sie sagt mir noch, dass sie bei der OP auf jeden Fall dabei sein wird und dass es noch etwa zwei bis drei Stunden dauern wird, ehe es losgeht.

Weniger als eine Stunde später verabschiedet sich mein Mann mit einem Kuss auf meinen Bauch von mir und unserem Kind und ich werde in den OP gebracht. Ununterbrochen laufen mir die Tränen über das Gesicht, ich bin gar nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen. Ich kann nur an das kleine schlagende Herz auf dem Ultraschall denken und daran, dass mir dieses Wunschkind nun gleich aus dem Bauch geschnitten wird. Die Mitarbeiter der Anästhesie sind sehr lieb zu mir, doch ich höre kaum, was sie mir sagen. Immer noch weine ich stumm vor mich hin und alles was ich will, ist aufstehen und gehen. Ich hoffe fast schon, dass mich jemand nach meiner Einwilligung zu diesem Eingriff fragt, damit ich nein sagen kann. Aber es tut keiner. Alles in mir schreit, dass ich das nicht will, dass ich mein Baby behalten will, dass sie es mir nicht wegnehmen dürfen. Die nette Anästhesistin drückt mir nochmals ihr Mitgefühl aus und, als könne sie meine Gedanken lesen, erklärt mir, dass dieser Eingriff sein muss, um mein Leben zu retten. Seit unserem Eintreffen im Krankenhaus sind weniger als zweieinhalb Stunden vergangen. Ich weine immer noch, als die Narkose eingeleitet wird.

In der Hoffnung, dass die/der eine oder andere Betroffene vielleicht Trost und Mut darin findet, und weil aufschreiben mir hilft zu verarbeiten, habe ich mich entschieden, meine Gedanken und Gefühle der Stunden nach meinem Aufwachen aus der Narkose und der darauf folgenden drei Wochen in einer Art Tagebuch zu teilen.

Wenn die Welt stillsteht und das Glück Abschied nimmt – ein Tagebuch [klick...]<span></span>